Katarina Gaub Schauspielerin
Katarina Gaub Schauspielerin
Winnetou
Im Alter von fünf Jahren lernte ich Winnetou kennen. An der Seite von Old Shatterhand ritt er über den grisseligen schwarz-weiß Bildschirm meiner Großmutter, während ich auf einem kratzigen Klappsofa saß und meine unglaublich klebrigen Finger aufregt durch die Löcher einer beigefarbenen Häkeldecke fädelte. (Damals benutze man noch für jedes Heißgetränk mindestens zweibisdrei Zuckerwürfel und lies uns Kinder, aus einem ähnlichen Gesundheitsbewußtsein heraus, diese ebenfalls relativ ungezügelt konsumieren).
Meine Aufregung in diesem Moment war jedoch ausnahmsweise nicht einem rekordverdächtigem Zuckerschock zu verdanken, sondern der Erscheinung der ich in diesem Moment beiwohnen durfte: dem Häuptling der Apachen. Unfassbar schön. Unfassbar klug. Mit einem unfassbar coolen Schlangenlederstirnband. What a man! Als loyaler unbestechlicher echter Freund (selbst über den Tod hinaus) log er grundsätzlich nie (für einen Mann redete er eh angenehm wenig) und sorgte anstattdessen wortkarg für den Weltfrieden. Zu allem Überfluss besaß er auch noch ein Pferd. Und: er war ganz offensichtlich Single! Noch bevor der aktuelle Zuckerwürfel in meinem Mund geschmolzen war, hatte ich unwiederbringlich und ganz und gar mein Herz an ihn verloren. Bumm.
Da dies meine erste Liebe war, und ich somit noch davon ausging, dass dies auch meine einzige bleiben würde, wollte ich so schnell wie möglich zu ihm. Schon allein um an seiner Seite für den Weltfrieden zu sorgen. Ich musste Indianerin werden.
Kurz darauf ging der Fernseher kaputt und ich wurde, als ein so gar nicht wortkarger Reparateur die Rückwand des Apparates aufschraubte, jäh mit der seltsamen Welt namens Realität konfrontiert.
Im Innenleben des Apparates befand sich weder -wie von mir bis dato felsenfest angenommen- die Sierra Nevada, noch der Himmel darüber, es gab keine Pferde, keine Cowboys, keine Indianer. Es gab eine Menge roter, blauer und sogar gestreifter Kabel, es gab Stecker und Anschlüsse und eine gläserne Projektionsfläche. Wohlwollend gesprochen für manch einen sicherlich auch eine Art magische Welt (die sich mir persönlich bis heute nicht erschlossen hat). Aber von Winnetou war keine Spur. Und einen Abschiedsbrief hatte er auch nicht hinterlassen.
Noch bevor ich die Schulreife erreicht hatte, war ich Witwe geworden. So glücklich und lebendig mich unser erstes Zusammentreffen gemacht hatte, so hoffnungslos verzweifelt war ich nun. Ich erfuhr, dass Indianerinnen sehr wohl Schmerzen kennen und es ist noch nicht mal übertrieben, wenn ich behaupte, dass all die Trennungsdramen, die in meinem weiteren Leben noch folgen sollten (und es waren einige und dabei selten lustige) ein billiger Abklatsch dieser ersten Verzweiflung waren.
Licht am Horizont sah ich erst wieder als ich mich die Erkenntnisse des Alltags weitgehend entzaubert hatten und ich plötzlich begriff, dass Winnetou in Wirklichkeit Pierre Brice hieß und gar kein Indianer sondern Schauspieler war. Das war vielleicht nicht ganz so sexy, aber der Spatz in der Hand…. Ich klammerte mich an den Strohhalm, vielleicht gab es doch noch Hoffnung für eine glückliche Vermählung: Ich musste Schauspielerin werden.